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Die Geschichte von Frieden für Pfoten 

...alles begann mit Mimi und Maria*

Eigentlich begann alles mit einem Foto von UNHCR, der Hilfsorganisation für Flüchtlinge in Skopje. Auf dem Bild war ein junges Paar, das seinen kleinen Hund zig tausend Kilometer mit auf die Flucht genommen hatte und nach der erfolgreichen Bewältigung der ersten Etappe abgekämpft, aber hoffnungsvoll in die Kamera lächelte. Im Begleittext war zu lesen, dass sie ihren Hund abwechselnd in einer Babytrage transportiert hatten, wenn er zu erschöpft zum Laufen war.

Help for Refugees with Pets

Nachdem ich einen Artikel zu diesem Thema auf meinem Blog Gutes Karma to goveröffentlicht hatte, meldeten sich Sonja und Pamela bei mir und wir gründeten zu dritt auf Facebook eine Seite, die eine Plattform für Hilfesuchende und Helfer rund um dieses Thema werden sollte: “Help for Refugees with Pets”. Niemals hätten wir mit einem solchen Ansturm gerechnet. Wir erstellten Dateien mit Hilfsangeboten und Informationen, übersetzten diese in mehrere Sprachen, versuchten alles auf der Facebookseite zu bündeln, was für die Menschen und ihre Tiere unterwegs hilfreich sein könnte und was zu beachten ist, wenn man mit einem Tier Asyl beantragen möchte. Es kamen Hilfsangebote aus ganz Europa. Die Tiertafel Schweiz, Tierhilfsnetzwerk Europa, Tierärzte, Pflegestellen und Spender - alle wollten unbürokratisch und effektiv unterstützen. Unter der täglichen Nachrichtenflut war auch die Anfrage einer Tierschutzaktivistin. Sie fragte an, ob es uns möglich wäre, eine Katze nach Deutschland und wieder mit ihrer Besitzerin zusammenzubringen. Beigefügt war ein Bild von Mimi. Die kleine weiße Katze lag an den Arm ihrer Besitzerin gekuschelt und in diesem Arm steckte eine Infusionsnadel.

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Maria, Mimis Besitzerin, leidet an einer chronischen Bluterkrankung. Sie ist auf regelmäßige Infusionen angewiesen und da diese in ihrer Heimat nicht mehr gewährleistet waren, hatte sie sich mit ihrer Mutter zu Fuß auf den Weg zur rettenden medizinischen Versorgung gemacht. Mimi, die von der jungen Frau als winziges Kitten gefunden und mit der Flasche aufgezogen worden war, die immer an ihrer Seite am Krankenbett beistand, war nun allein im Haus zurück geblieben und ihr weiteres Schicksal ungewiss. Maria wusste bereits im Vorfeld, dass sie diesen Kraftakt der Flucht selbst kaum überstehen würde, mehrfach war sie unterwegs kollabiert und verbrachte auf allen Reiseetappen Tage im Krankenhaus an der Infusion oder musste pausieren. Mimi wäre niemals heil angekommen und daher wurde diese schmerzhafte Entscheidung getroffen.

Der erste Kontakt

Noch am gleichen Abend schrieb ich zurück, dass ich zwar noch nicht genau wüsste, wie…aber dass wir in jedem Fall versuchen würden, dieses Happy End möglich zu machen. Ich bat um die Kontaktdaten der jungen Frau und gemeinsam mit meiner Mitstreiterin, Rike, wurde „Das Mimi-Projekt“ auf den Weg gebracht.

Es war ein Sonntag, als ich die übermittelte Handy Nummer wählte und so zum ersten mal Kontakt zu Maria hatte, ein Kontakt, der zunächst ganz anders verlief als geplant, denn sehr schnell stellte sich heraus, dass es zunächst nicht Mimi sondern Maria war, die gerade dringend Hilfe benötigte.
Sie war in einem der großen Auffanglager in Sachsen-Anhalt untergebracht und konnte sich in dem zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Flüchtlingsandrang und zwischen Helfern, die oft kein Englisch sprachen, nicht verständlich machen. Ihr ging es sehr schlecht, sie brauchte dringend die nächste Infusion und niemand war greifbar oder zuständig.

Nachdem ich vergeblich versucht hatte, Lagerleitung oder medizinisches Personal ausfindig zu machen, rief ich kurzentschlossen in der Polizeizentrale der Stadt an und bat nachdrücklich um Hilfe, während ich Maria einen Text zum Vorzeigen aufs Handy tippte. Binnen einer Stunde war sie im Behandlungszimmer des zuständigen Arztes und kurz danach bereits zur Infusion im Krankenhaus. Das war der aufregende Beginn unserer wunderbaren Freundschaft.
Durch den von da an täglichen Austausch, erhielt ich intensiv Einblick in den Alltag eines Flüchtlings in Deutschland, erlebte Hürden und Missverständnisse, Ängste und Ablehnung eins zu eins mit. All ihre Anliegen und Fragen übersetzte ich vom Englischen ins Deutsche, was sie dann bei den zuständigen Sachbearbeitern oder den behandelnden Ärzten auf dem Display ihres Handys vorzeigen konnte. Viele waren hilfsbereit, aber oft war ich sehr, sehr wütend darüber, wie man ihr entgegentrat. Mittlerweile hat Maria übrigens längst alle offiziellen Deutschtests mit Bravour bestanden und sie benötigt diese Hilfe längst nicht mehr.

Das „Mimi-Projekt“ macht Fortschritte

An den Abenden chatteten wir. Maria erzählte von Mimi, die sie so gerne mitgenommen hätte, aber ihr nicht zumuten wollte, die vielen Wochen während des endlosen Fußmarsches, eingesperrt im Transportkäfig zu verbringen, dass sie ihr die gefährliche Überfahrt, alle Risiken der ungewissen Reise ersparen wollte. Wie es ihr jedesmal das Herz bricht, wenn die Nachbarn schreiben, dass sie Mimi bis auf die Straße jammern hören, weil sie ganz allein im Haus und durch ihre Taubheit völlig isoliert und verängstigt ist. Sie erzählte von ihrem trotz Krankheit einst sehr schönem Leben in ihrer Heimat, von Verlust und geplatzten Zukunftsplänen.

Auch wenn ich ihr gegenüber zuversichtlich auftrat, anfangs war ich nicht sicher, ob es uns tatsächlich gelingen würde, Mimi  zu ihr zu bringen. Zu groß erschienen die logistischen, bürokratischen und auch die finanziellen Hürden. Wir waren nur eine handvoll Leute, mit wenig Erfahrung, mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln aber dafür um so entschlossener.

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Ich versuchte zu trösten, soweit man in dieser Situation trösten kann, erzählte ihr, was wir gerade gemeinsam alles anstellen, damit Mimi bald bei ihr sein kann. Und  tatsächlich war es bemerkenswert, was da gerade alles angestellt wurde…
Bereits bei unserem ersten Kontakt hatte ich ihr  stellvertretend für uns alle versprochen, dass wir Himmel und Hölle in Bewegung setzen würden, damit sie wieder mit ihrer Katze zusammen kommen kann. Dass wir es gemeinsam schaffen würden, Geld aufzutreiben, den Transport zu organisieren und eine Pflegestelle in Deutschland zu finden, wo Mimi vorerst bleiben darf. Währenddessen würde vor Ort alles vorbereitet, damit für Mimi die nötigen Einreise-Anforderungen erfüllt sind.

Nach wie vor waren wir kein Verein, nur eine Facebookgruppe, in die täglich neue, wunderbare Menschen fanden. Wir durften offiziell nicht um Spenden bitten, aber die Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft aller Beteiligten übertraf selbst die kühnsten Erwartungen.
Angefangen bei unseren Freunden, die Mimis Papiere für die Ausreise vervollständigten und sie auf die weite Reise schickten, bis hin zu den großzügigen Spendern, unermüdlichen Bastlern und Verkäufern, die uns die finanziellen Mittel dazu ermöglichten, war jeder unglaublich hilfsbereit, motiviert und mit ganzem Herzen dabei.

Als wir auch noch eine liebevolle Pflegemutter für Mimi in Berlin fanden, denn es würde noch eine Weile dauern, bis Maria über eigene Räumlichkeiten verfügte, war die Planung perfekt. Weil das alles so gut funktionierte, beschlossen wir auf diesen Flug noch weitere Notfellchen zu packen. Auch für sie meldeten sich Pflegestellen und Adoptanten und auf alle wartete ein wunderschönes Zuhause.
Während sich unsere Aktionen im Mimi-Forum ausweiteten, während immer klarer wurde, wie dringend Hilfe in Kriegsgebieten für die zurückgelassenen Tiere benötigt wird, dass es noch unzählige Katzen und Hunde gibt, die gefüttert, kastriert, in Pflegestellen oder vielleicht sogar in ein neues Zuhause gebracht werden müssen, und wir alle nach Kräften daran arbeiteten, näherte sich Marias erstes Weihnachten in Deutschland.
Maria hatte für sich und ihre Mutter die Genehmigung erhalten, aus dem Lager in eine winzige Notunterkunft zu ziehen, dort besuchte ich sie. Endlich konnten wir uns zum ersten mal in die Arme schließen und die Gastfreundschaft und Herzlichkeit, die sie und ihre Mutter mir an diesem Tag zuteil werden ließen, werde ich nie vergessen.

Als Gastgeschenk erhielt sie ihren ersten Weihnachtskalender und wir lachen noch heute über ihr Entsetzen, als sie später erfuhr, dass man nicht alle Türchen gleichzeitig öffnet und der Inhalt des Kalenders eigentlich bis zum 24. Dezember stückchenweise genossen wird. Seit sie wußte, dass Mimi bald sicher und wohlbehalten in Deutschland sein würde, lachte sie überhaupt wieder gern und oft und ganz langsam fasste die kleine Familie Fuß in der Fremde. Für mich war und ist die Freundschaft mit dieser zarten, aber doch so energischen und lebensbejahenden jungen Frau eine große Bereicherung. Marias richtiger Name bedeutet „Licht“ in ihrer Sprache und wer einmal dieses innere Leuchten erleben durfte, das von ihr ausgeht, der weiß, wie treffend der Name für sie gewählt wurde.

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Mimi geht auf die Reise

Endlich war es soweit. Wir hatten genügend Geld gesammelt, Pflegestellen und Endplätze für alle Notfellchen gefunden, die Tickets waren gebucht und Mimi ging auf die große Reise ins Glück. Nach der Ankunft in Europa wurde für sie und ihre kleine Katzenreisegruppe unsere erste Transportkette ins Leben gerufen.

Auch diesen Part teilten unsere Aktiven ganz selbstverständlich unter sich auf, nahmen stundenlange Autofahrten in Kauf oder buchten Inlandsflüge auf eigene Kosten. Zum ersten Mal durften wir mitfiebern, erlebten gemeinsam online den magischen Moment, wenn die Transportkette sich in Bewegung setzt, um schließlich viele Stunden später die kostbare Fracht  zu übergeben.

Seither gab es einige dieser aufregenden, magischen Momente, wenn die Arbeit von vielen Wochen mit einem Happy End gekrönt wird. Immer wieder auf´s neue ist dieser Glücksmoment die schönste Belohnung, dieses unvergleichliche Gefühl, einen sicheren Todeskandidat in einem liebevollen Zuhause zu wissen.

Auch Mimi gefiel es sichtlich gut in ihrem neuen Zuhause bei der Pflegemutter. Endlich wieder Gesellschaft, endlich wieder kuscheln und dazu ein  Aquarium  in der Wohnung, ihr auserkorener Lieblingsplatz. Maria war selig, Mimi so glücklich zu sehen, auch wenn sie selbst noch nicht bei ihr sein konnte.

Das erste Wiedersehen

Wir beschlossen, als Weihnachtsüberraschung endlich ein Treffen zwischen den beiden zu ermöglichen. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit (fast) allen Mimi-Projekt-Aktivisten fuhren wir zu dritt zum großen Wiedersehen zu Mimis wunderbarer Pflegemutter, Brigitte.  Es waren berührende Momente, die niemand je vergessen wird, der dabei sein durfte. Ganz im Vertrauen… wir haben alle ordentlich geweint… . 

Mimi erkannte Maria nach einem kurzen Augenblick des Zögerns sofort wieder. Sie ließ sich von ihr herzen und küssen, schnurrte laut, klammerte sich an ihren Arm, aalte sich auf ihrem Schoß und beide strahlten so unendlich viel Seligkeit und Glück aus, es ist mit Worten nur schwer zu beschreiben. Wir ließen die beiden allein, damit sie die kostbare Zeit zusammen in Ruhe genießen konnten, denn am nächsten Morgen musste Maria wieder zurück sein.

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Während ich diese Zeilen schreibe, konnten Maria und ihre Mutter und Mimi längst eine kleine Wohnung beziehen, die sie liebevoll ausgestattet haben. Mimi wurde als Einzugsgeschenk aus Berlin angeliefert und machte das Glück perfekt. Auf meine Frage, was sie sich sonst noch zum Einzug wünschte, antwortete Maria:

„Samen und Erde, ich würde gern Samen und Blumen auf meiner Fensterbank wachsen und gedeihen sehen“. Diesen bescheidenen Wunsch habe ich ihr nur zu gern erfüllt und seitdem erhalte ich regelmäßig Bilder, auf denen Scherben und ein Haufen Blumenerde auf dem Fußboden verstreut zu sehen sind…und eine kleine weiße Katze, die kein bisschen schuldbewusst in die Kamera blickt. Mimi liebt ebenfalls Blumenerde und Pflanzen, …nur anders :-).

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Frieden für Pfoten-Peace4Paws e.V.

Da wir gerne noch viel mehr Happy Ends, noch viel mehr Hilfe für die Tiere und Unterstützung in Krisengebieten ermöglichen wollten und dazu langfristig die Hilfe eines rechtlich eingetragenen Vereins benötigten, gründeten wir am 21. Dezember 2015 in Berlin  „Frieden für Pfoten – Peace4Paws e.V. “

Unser Ziel ist es, das Elend der Tiere in Krisengebieten zu lindern. Wir unterstützen private Helfer vor Ort bei Fütterung ausgesetzter und zurück gelassener Tiere, finanzieren Kastrationsaktionen, medizinische Notversorgung und sind dabei behilflich, Flüchtlinge wieder mit ihren geliebten Haustieren zusammenzubringen. Nach wie vor organisieren wir vereinzelt auch, dass besonders bedürftige Tiere nach Deutschland adoptiert werden können. 

Mittlerweile helfen wir den verlassenen Straßentieren an einigen Brennpunkten in Europa. Besonders in Athen fanden wir in der Organisation SCARS, Griechenland Partner, die unsere Ideale und Ziele teilen. „Frieden für Pfoten meets SCARS“ war ein Meilenstein in der Vereinsgeschichte und seither kämpfen wir Seite an Seite gegen das Elend der Straßentiere.

 

Abschließend ein herzliches Dankeschön an alle tollen Unterstützer, Spender, Bastler, Verkäufer, Berater, Logistik Genies, Fahrer, Pflegestellen, Adoptanten, Organisateure, Designer, Übersetzer, an unser fantastisches Team  …schön, dass es Euch gibt! 

Gutes Karma to Go/ Bettina Marie Schneider

06. März 2016

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* Name der Katzenmutter geändert

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